Hebamme Dr. Clarissa Schwarz

Trauer um Babys: Trotz Trauer Leben – Mit Trauer Leben

Tod und Verlust bringen immer einen tiefen Einschnitt ins Leben mit sich. Plötzlich ist alles anders, es fehlt jede Perspektive. Der Alltag scheint so leer und alles ist so schwer. Mut und Zuversicht in die Zukunft gehen mit dem Verstorbenen verloren.

Der Tod eines Kindes ist ein besonders schmerzlicher Verlust. Das trifft vor allem für Eltern zu, die ein Kind um die Zeit der Geburt verlieren. Das Umfeld hat die verstorbenen Kinder bisher kaum wahrgenommen, sie waren nach außen noch nicht sichtbar und somit auch noch nicht so präsent. Das hat häufig zur Folge, dass das Erschrecken über einen so frühen Tod zwar groß ist, aber die Anteilnahme und Unterstützung doch recht schnell nachlassen und zur „Tagesordnung“ übergegangen wird. Auch wenn dies ohne böse Absicht geschieht, fühlen sich die Betroffenen oft allein gelassen und unverstanden.

Zeit zum Trauern

Trauer braucht Zeit und jeder erlebt seine Trauer anders. Keiner kann Ihnen vorschreiben, wie lang Trauer währt, wie sie sich äußern darf und was hilft. Lassen Sie sich Zeit, Ihren eigenen Weg der Trauer zu finden und zu gehen.

Trotz aller Unterschiedlichkeit gibt es Gemeinsamkeiten, wie Menschen Trauer durchleben:

Einerseits ist Trauer ein Prozess mit verschiedenen Phasen. Zuerst ist man geschockt und betäubt und kann den Verlust nicht wahrhaben. Dann brechen Gefühle auf: Sehnsucht, Wut, Verzweiflung, Angst und man sucht nach dem Verlorenen. In der dritten Phase fühlt man sich desorientiert und hat Probleme, seinen Alltag „normal“ zu leben – Konzentrationsprobleme, Schlafstörungen, Entscheidungsschwierigkeiten gehen damit einher. Das alte Leben stimmt nicht mehr, in einem neuen hat man sich noch nicht eingerichtet. In der vierten Phase der Erneuerung kann man sich wieder nach außen orientieren, bekommt neue Energie und Lebensmut. Diese Phasen laufen nicht immer nacheinander ab, manchmal werden sie auch parallel oder wiederholt durchlebt.

Andererseits werden in der Trauerzeit verschiedene Aufgaben bewältigt, Gefühle durchlebt und verarbeitet:

  • Sehen, was verloren ist
  • Annehmen, dass es verloren ist
  • Loslassen, was verloren ist
  • Wahrnehmen, was geblieben ist
  • Annehmen, was geblieben ist
  • Einlassen auf das, was geblieben ist
  • Einlassen auf das, was das Leben noch bereit hält.

Auch hier gilt: die einzelnen „Aufgaben“ werden nicht nacheinander bearbeitet und abgehakt, sondern stellen sich immer wieder neu im Leben, bis der Schmerz der Trauer als Teil des Lebens integriert wird.

Was tut mir gut?

Überlegen Sie, was Ihnen gut tut und sagen Sie Ihrem Partner bzw. Ihrer Partnerin, Freunden oder Verwandten, was Sie sich wünschen. Es ist wichtig, die Trauer auszudrücken, aber auch Grenzen zu setzen, um nicht ins Bodenlose zu versinken. Sich Zeit und Raum zum Trauern geben, aber sich auch Freude erlauben und Gutes gönnen:

  • allein sein
  • jemand, der bei mir ist
  • weinen
  • schlafen
  • mit jemandem über meinen Verlust sprechen oder schweigen
  • praktische Hilfe im Haushalt
  • Zeichen der Anteilnahme (Blumen, Karten, kleine Geschenke)
  • mir den Kummer von der Seele schreiben (Tagebuch führen, ein Gedicht oder einen Brief an mein Kind schreiben etc.)
  • Kontakte zu Menschen, die Ähnliches erlebt haben (Selbsthilfegruppe oder im Internet)
  • professionelle Hilfe (Beratungsstelle, Trauergruppe, Kirchengemeinde)
  • ein gutes Buch zum Thema lesen
  • Erinnerungen an mein Kind (Fußabdruck, (Ultraschall-)Bilder, Strampler)
  • Abschiedsfeier
  • ein Ort für meine Trauer.

Rituale helfen, Abschied zu nehmen und Trauer zu verarbeiten. Eine Kerze anzünden, ein Besuch am Grab sind Handlungen, die den Abschied verdeutlichen und bewusst erleben lassen. Viele Eltern sammeln Gegenstände als Erinnerung an ihr Kind in einer „Erinnerungsbox“.

Nach kleinen Geburten haben Eltern leider kein konkretes Bild: Sie konnten ihr Kind nicht im Arm halten, häufig nicht anschauen und direkt verabschieden. Sie können als Ort der Trauer die Grabstätte „die Kleinsten der Kleinen“ nutzen. Auch wenn der Tod Ihres Kindes schon länger her ist, kann die Grabstätte als Ort der Trauer dienen.

Wie sag ich’s meinen Freunden?

Für sich selbst mit dem Verlust zurechtzukommen und zu trauern, ist schwer. Ebenso schwer ist es, Freunden, Verwandten oder dem Arbeitgeber die kleine oder stille Geburt Ihres Kindes mitzuteilen. Wenn schon viele von Ihrer Schwangerschaft wussten, kann es hilfreich sein, einen kurzen Rundbrief oder eine Anzeige zu verschicken, damit die wichtigsten Leute Bescheid wissen. Das ist vielen lieber, als wenn sich immer wieder Freunde bei ihnen ahnungslos nach dem Verlauf der Schwangerschaft erkundigen und Sie dann sagen müssen, dass Sie leider nicht mehr schwanger sind.

Enge Freunde und Verwandte möchten Sie sicherlich unterstützen, sind aber oft unsicher, was Sie brauchen. Überlegen Sie für sich, womit man Sie am besten unterstützen kann:

  • Möchte ich über meinen Verlust sprechen oder ist es mir lieber, zu schweigen?
  • Will ich, dass jemand bei mir ist oder bin ich lieber allein?
  • Welche Menschen tun mir gut?
  • Kann ich praktische Hilfen im Haushalt brauchen, weil ich selbst so müde bin und mich zu nichts aufraffen kann?
  • Freue ich mich über Zeichen der Anteilnahme (Blumen, Karten, kleine Geschenke)?

Sagen Sie Ihren Freunden oder Verwandten, was Sie sich wünschen. Nehmen Sie Hilfe an! Sie sind dadurch entlastet und die anderen freuen sich, dass sie etwas für Sie tun können.

Wie schütze ich mich?

Es werden nicht nur verständnisvolle Reaktionen auf Ihre Trauer kommen. Manche Menschen werden vielleicht aus Unwissenheit oder Unsicherheit unsensibel auf den Verlust Ihres Kindes reagieren. „Es war doch noch so klein und kein richtiges Kind“ oder „Du kannst ja noch viele Kinder bekommen“ etc. sind Bemerkungen, die unbedacht ausgesprochen werden und häufig als Trost gemeint sind, die aber sehr verletzen können. Machen Sie sich darauf gefasst, dass solche Sprüche kommen werden und überlegen Sie, wie Sie sich schützen können.

Manche antworten mit einer ablehnenden Bemerkung, ziehen sich dann zurück und brechen den Kontakt ab. Andere gehen nicht auf die Bemerkungen ein und legen sich innerlich einen Panzer zu: „die haben ja keine Ahnung von meiner Trauer, weil sie noch nie in einer solchen Situation waren.“ Wieder andere versuchen ihre Verletzung zum Ausdruck zu bringen: „Das hat mich jetzt sehr getroffen“ oder „Ich habe das Gefühl, dass damit meine Trauer schnell weggewischt werden soll.“ Vielleicht ergibt sich dadurch ein Gespräch, in dem Sie Ihre Wünsche äußern können: „Ich hätte mich gefreut, wenn Du einfach still bei mir geblieben wärst und meine Traurigkeit ertragen hättest“ oder „Trösten heißt für mich, zuzuhören und sich bemühen den anderen zu verstehen.“

Jede Reaktion hat ihre Berechtigung, wenn sie Ihnen hilft, sich vor Verletzungen zu schützen.

Aus der Broschüre „Trauer um die Kleinsten der Kleinen“ S. 26-30, Beratungsstelle im Gesundheitsamt Böblingen
https://www.lrabb.de/site/LRA-BB-Desktop/get/params_E1464291055/3285196/Trauer_Kleinste_der_Kleinen2011.pdf

In Berlin ist beim „Garten der Sternenkinder“ auf dem Alten St-Matthäus-Kirchhof in Schöneberg eine Gedenkstele für Eltern, deren Sternenkinder nicht bzw. nicht hier bestattet wurden
http://www.efeu-ev.de/sternk2.html (Anm. Clarissa Schwarz)