Hebamme Dr. Clarissa Schwarz

Trauer von Geschwisterkindern

Marianne van Kempen: Informationsblatt für Eltern

Sie und Ihr Kind/Ihre Kinder haben einen Verlust erlebt

Es kann sein, dass Sie bei sich selbst und Ihrem Kind Veränderungen bemerken, die Sie vielleicht verwirren, verunsichern und ängstigen. Seien Sie beruhigt, diese Veränderungen sind eine normale Reaktion auf das, was Sie und Ihr Kind erlebt haben. Nach Ende der Situation werden diese Reaktionen wieder abklingen. Vielen Menschen in ähnlichen Situationen geht es ebenso.

Ihr Kind kann folgende Reaktionen und Verhaltensweisen zeigen

  • Es kann traurig sein, weinen, verzweifelt sein,
  • verwirrt, aggressiv und trotzig,
  • kann Schuldgefühle und Angst haben,
  • kann sich sehnen und danach suchen, was nicht mehr da ist.

Damit verbunden können Sie vielleicht feststellen, dass Ihr Kind:

  • ruhelos ist,
  • schlecht schläft, Angst vor dem Einschlafen hat,
  • müde und lustlos ist, wenig Appetit hat und
  • sich nicht gut konzentrieren kann.

Die Schulleistungen können sich vorübergehend verschlechtern. Manche Kinder und Jugendliche zeigen eine scheinbare Nichtreaktion. Dies heißt keineswegs, dass sie nicht emotional betroffen bzw. zutiefst erschüttert sind.

Ihr Kind braucht jetzt Orientierung, Sicherheit und emotionalen Halt

  • Verändern Sie so wenig wie möglich! Erhalten Sie Ihrem Kind nach Möglichkeit den vertrauten Lebensraum (Wohnung, Schule, Freunde, Alltagsrituale usw.).
  • Wenn Sie selbst mit dem Geschehen und seinen Folgen so in Anspruch genommen sind, dass Sie vorübergehend nicht für Ihr Kind da sein können, beauftragen Sie Verwandte, Freunde, Nachbarn mit dieser Aufgabe. Überlassen Sie es dann anderen, Ihr Kind zu begleiten.
  • Klären Sie Ihr Kind über das Geschehen auf. Finden Sie dabei eine kindgerechte Sprache. Kinder, selbst wenn sie noch sehr klein sind, bekommen emotional „alles“ mit und ihre Phantasien sind oft schrecklicher als die Wirklichkeit.
  • Sagen Sie Ihrem Kind, dass es keine Schuld an dem Geschehen hat. Kinder fühlen sich schnell schuldig und glauben, verantwortlich zu sein und sie hätten das Geschehen verhindern können.
  • Beteiligen Sie Ihr Kind an dem Abschied von gestorbenen Angehörigen. Kinder wollen beteiligt sein! Die Angst vor dem Unfassbaren kann sich so verringern.
  • Bieten Sie Ihrem Kind gegebenenfalls die Teilnahme an einer Kindertrauergruppe an. Für viele Kinder ist es hilfreich und entlastend, sich mit anderen auszutauschen und das Geschehene spielerisch zu bewältigen.
  • Kinder lieben Rituale. Entwickeln Sie mit Ihrem Kind Rituale, die in Zusammenhang mit dem Verlust stehen. Rituale bannen Angst und sorgen für Sicherheit.

Marianne van Kempen, Dipl.-Soziologin, systemische Supervisorin, psychologische Beraterin, Trauerbegleiterin
Trauerbegleitung van Kempen
TrauerAkademie Berlin Brandenburg


Monika Ungruhe: Geh zu den toten Kindern

Trauer um Geschwister – Wie sieht sie aus? Kindliche Reaktionen und Verhaltensweisen

Diese Thematik wurde bisher in der Öffentlichkeit nur wenig Bedeutung gegeben und sie ist bisher kaum untersucht worden. Erst in jüngerer Zeit gibt es mehr Literatur zum Thema des Einflusses des Todes eines Geschwisters auf überlebende und nachfolgende Geschwisterkinder. Kinder sind in dieser Situation vielfache Verlierer. Sie verlieren:

  1. ein Geschwisterkind,
  2. die gewohnte Lebenssicherheit,
  3. die Aufmerksamkeit der Eltern.
  • Als gesundes Kind fühlen sie sich unwichtig, oft sogar ungeliebt.
  • Meistens gibt es für sie keinen Raum für die eigene Trauer.
  • Sie übernehmen häufig Rollen, die ihrem Alter nicht entsprechen und das auf Kosten ihrer eigenen Entwicklung (Turbokinder).
  • Sie übernehmen Verantwortung für ihre Eltern.
  • Sie wagen es nicht, ihre Trauer auszudrücken, um die Eltern nicht noch trauriger zu machen.
  • Sie sind betont unkompliziert, um ihre Eltern zu schützen.
  • Sie sind auffällig unauffällig (Jorgos Canacakis).
  • Da sie Trauer nicht ausdrücken können, sind auch ihre anderen Gefühle blockiert, z.B. Wut und Freude.
  • Sie haben oft Schuldgefühle – sei es, dass sie sich am Tod des Geschwisters schuldig fühlen oder weil sie leben dürfen (müssen).
  • Sie glauben oft, sie hätten es nicht verdient zu leben oder zu überleben.
  • Sie haben häufig ein vermindertes Selbstwertgefühl – verbunden mit der Meinung, das Recht auf Leben müsse man sich durch harte Arbeit verdienen, viel leisten, alle Aufgaben erfüllen.
  • Kinder reagieren oft mit Bauch- oder Kopfweh, Appetitlosigkeit, Krankheiten, Schulschwierigkeiten.
  • Sie ziehen sich zurück, werden still und schweigsam.
  • Sie haben oft Angst, dass noch eine wichtige Person sterben könnte.
  • Sie haben Angst in der Dunkelheit.
  • Sie sind oft sehr angepasst oder auch das Gegenteil – überaktiv, rebellisch, aggressiv.
  • Psychologische, psychiatrische und psychosomatische Störungen sind nicht selten.

Monika Ungruhe, Hebamme und Trauerbegleiterin
Wachstums-Impulse

Weitere Informationen und Empfehlungen:

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